Olicía (int.)
Olicía sind mit ihrer Musik unablässig auf der Suche nach neuen Ideen, ihre Songs werden dabei zu immer neuen Fassungen, Formen und Erkundungen von Gefühlen und Lebensumständen. Das Bandprojekt der beiden Multiinstrumentalistinnen Anna-Lucia Rupp und Fama M’Boup entwirft einen völlig eigenen Klangkosmos, der Einflüsse zwar zulässt, diese aber nie als bloße Zutat begreift. Wenn es aber einen Fixpunkt im Olicía-Kosmos gibt, dann ist es der Umgang mit der Stimme, und zwar längst nicht nur durch die Verwendung der Loopstations und Effekte. Beide schreiben meist gemeinsam an ihren Songs, übernehmen gleichberechtigt Vocalparts und offenbaren dabei unterschiedliche Klangfarben und ein umfangreiches Potpourri verschiedener Techniken. Es gibt geloopte Stimmfetzen, die den Rhythmus antreiben oder den Background dekorieren und die oft gar nicht von mechanischen Instrumenten, wie Synthesizern oder Percussion zu unterscheiden sind.
Fama M’Boup und Anna-Lucia Rupp leben derzeit in Berlin und Kopenhagen mit einer gemeinsamen Basis in Dresden. Dort haben sie sich während ihres Musikstudiums kennengelernt und bald darauf die Band und ihr eigenes Label o-cetera gegründet, auf dem nun nach zwei Ep‘s und zahllosen Konzerten in den letzten Jahren ihr Debütalbum erscheint. Aufgenommen wurde es im Berliner Monoton Studio zusammen mit dem aus San Francisco stammenden Produzenten und Autor Miles Deiaco. Sophie Hunger hat die beiden vor Kurzem für die Tourband zu ihrem aktuellen Album „Halluzinationen“ gewonnen.
Die Musik ihres Albumdebüts „Liquid Lines“ (VÖ: 1.10.21) ist ohne klare Vorbilder oder eindeutige Vorgänger. Sie bewegt sich im Spannungsfeld zwischen menschlicher Stimme, akustischen Instrumenten, freier Improvisation und dem Einsatz moderner elektronischer Möglichkeiten. Irgendwann haben sie dem Ganzen den Genrenamen "electronic handmade loopjazz" gegeben. Fragmentierter, elektroider Soul, verspielter, vielsprachiger Global Pop, die Ergriffenheit des Folk und ein dem Jazz entlehnter Ansatz der Improvisation innerhalb einer festen Struktur. All diese disparaten Elemente vereinigen sie in erstaunlich konzisen, direkten und emotionalen Pop Songs. Alles was dabei auf der Bühne zu hören ist, entsteht dabei im Moment, nichts ist vorproduziert.
Das physische Album erscheint in einer 20-Track-2LP/2CD-Version, die jedem Albumtrack eine völlig andere Fassung gegenüberstellt. Dabei variieren die beiden Melodien, Sprache, Texte, Grooves und Instrumentierung so weit, dass ebenjene „Liquid Lines“, die einen Song begrenzen und einen neuen entstehen lassen, beim Hören auf ganz wundersame Weise verschwimmen und sich neu konturieren. All dies geschieht über beide Albumversionen hinweg unter Mitwirkung zahlreicher Gäste, darunter die experimentelle französische Harfenistin Laura Perrudin, der Schlagzeuger Demian Kappenstein (ÄTNA) und die Songwriterin und Bassklarinettistin Wencke Wollny (Karl die Große).
Digital erscheint eine 10-Track-Compilation, physisch erhält man „Liquid Lines“ als Doppelalbum in einer energetischeren „Orange Version“ und einer „Violet Version“, die ruhig und organisch klingt. Da ist der elegante Minimalismus von „Texture of Words“, das als einziger Albumtrack in beiden Versionen digital und mit jeweils eigenständigem Video veröffentlicht wird. Eine Version klingt wie eine einzelne Frau in einem Kokon aus Eis, in einer zweiten bewegen sich die Stimmen der beiden wie Finger auf der Klaviatur eines Synthesizers, erzeugen dabei eine vordergründige Leichtigkeit, die das Unbehagen und die kriechende Melancholie unausgesprochener Worte zwischen zwei Menschen sanft kaschiert - „We starve of a loss of words“. Da ist das Kieksen, Rumpeln und der Überschwang von „Go Go Go“, für das Olicía mit Laura Perrudin eine ihrer Lieblingsmusikerinnen gewonnen haben, die perkussive Strukturen ihrer einzigartigen elektrischen chromatischen Harfe beigesteuert hat. Der Text der beiden Fassungen feiert aus den jeweiligen Perspektiven der beiden Musikerinnen ganz unverstellt die starken und inspirierenden Frauen ihrer direkten Umgebung. Es gibt zahllose solcher Details zu entdecken in dem vermeintlich klaren Klangbild dieser Lieder. Wenn sich der Opener „Blue Hour“ aus einer einzelnen Gesangsnote erhebt. Wenn sich wie bei „Bleu“ ein Chanson und ein rollender Jazzentwurf gegenüberstehen, der fast schon in den Bossa Nova übergeht.
Anna-Lucia Rupp und Fama M’Boup
beschreiben ihre Musik gern in Farben, Jahreszeiten, Gefühlen und winzigen Gesten – man könnte „Liquid Lines“
auch beschreiben als ein einziges Einreißen von Grenzen mithilfe zweier weiblicher Stimmen.
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