Bernhard Eder (A)

16.05.2022
Bernhard Eder (A)

Subterranean Echoes: das neue Album von Berhard Eder. Strahlend und glitzernd schweben die Gitarrenakkorde im verhallten Raum. Leise mischen sich die Klänge eines Harmophon dazu, während Bernhard Eders eindringliche Stimme von einer vermeintlichen Befreiung aus einer Gefangenschaft erzählt. Denn selbst wenn man aus der jahrelangen Höhle ins Licht tritt, findet man sich manchmal umgeben von inneren Mauern, die einen trotzdem einsperren. Und doch blitzt ein Hoffnungsschimmer auf, wenn sich Trompetentöne mit sanften Gitarrenfeedback und energischen Synthesizer-Klängen zu einem hypnotischen Ende verdichten. Der Eröffnungssong „Dmaj Song“, entstanden für ein Theaterstück über die schottische Königin Maria Stuart, war Startpunkt für das neue Album „Subterranean Echoes“ und gibt den melancholischen Grundtenor der Platte vor. Es geht um Isolation und das Warten. Worauf, das wird hier offengehalten. Ein Album, das ohne den harten Lockdown letztes Jahr nicht entstanden wäre.

Verborgen und „unterirdisch“ in den eigenen vier Wänden ist ein Werk entstanden, das intimer nicht sein könnte. Die Echos der musikalischen Vergangenheit von Bernhard Eder treffen auf die gegenwärtige Gefühlslage einer Gesellschaft, deren Welt auf den Kopf gestellt worden ist. Auch für Sänger, Musiker und Komponist Bernhard Eder war es ein Bruch in der üblichen Routine. Album veröffentlichen, auf Tour gehen, Songs schreiben, Auftragsarbeiten machen. Doch plötzlich kommt die Welt zu Stillstand. Der plötzliche Stopp hat Bernhard Eder dazu gebracht, sich alte Tapes und Aufnahmen anzuhören, die in den letzten Jahren sich angestaut haben. Daraus entwickelte er für einen musikalischen Advent-Kalender 24 bisher unveröffentlichte Songs. Was als sehr reduziertes bedroom-recording-Projekt begann, hat sich immer mehr zu einem gut produzierten, vielschichtigen und stringenten Album entwickelt.

Man hört in den 10 Stücken das Knarren des Holzbodens, das Klacken der Tasten einer Heimorgel, das Klappern einer Schreibmaschine, das zum Beat eines Songs wird und das Fiepen und Glucksen der Synthesizer, wobei Bernhard Eders Stimme immer sehr direkt und unmittelbar im Vordergrund steht. Alles ist in Eigenregie aufgenommen, mit viel Liebe zum Detail und einer experimentellen Spielfreude. Bei dem federleichten, sanft dahingroovenden Stück „Motel One“ reicht eine Stand-Tom, um den Rhythmus vorzugeben. Ein Song, der die Isolation in einem Klimaanlagen-heruntergekühlten Hotelzimmer in Berlin wiedergibt, während draußen Bernhard Eders geliebte Zweitheimat unter der glühenden Sommerhitze ächzt. Da darf ein politisches Statement in Richtung Klimawandel nicht fehlen, der hier ohne große Aufregung in den sehr persönlichen Text hineinverwoben wird.

Gleichzeitig ist „Subterranean Echos“ unbewusst ein perfektes Bindeglied des letzten Albums „Reset“, welches eine klare Abkehr vom Singer/Songwritertum war und ohne Gitarren ausgekommen ist, und der charmanten Gefühlsnabelschau von „Post Breakup Coffee“, bei der Bernhard Eder uns sein gebrochenes Herz gezeigt hat. In dem Song „Distant Times“, das in einer Unmittelbarkeit, der rauen Produktion und dem Gesang an das grandiose Werk „NakedSelf“ von The The erinnert, verhandelt eine auf örtliche Distanz geführte Liebesgeschichte, die mit der pandemiebedingten Schließung der Grenzen in die Brüche gegangen ist. Dieses Stück wäre ohne die Arbeit an „Reset“ wohl nie so reduziert und eindringlich geworden.

Die Liebe zur Elektronik in Verbindung mit der Liebe zur Gitarre spiegelt sich in einem der Highlights der Platte, „Sleep Today“, wider. Ein klaustrophobisch anmutendes Stück, das von der Nacht des Terroranschlags in Wien erzählt, als Bernhard Eder am Rückweg von Oberösterreich im Zug von einer Schießerei in der Wiener Innenstadt liest. Vom leeren Bahnhof bis zur Wohnung begegnen ihm kaum Menschen, alles wirkt gespenstisch und surreal. Verunsichert und mit ängstlichem Gefühl liegt er schlaflos im Bett, während die Hubschrauber über der Stadt kreisen. Eingefangen ist diese Stimmung in diesem dunklen, hypnotischen Nachtstück, in dem sich zu den analogen Synthesizer und der akustischen Gitarre tiefe Chorgesänge schmiegen. Bedrohlich und eindringlich gibt der Songs auch hier die Isolation und die Unsicherheit unserer Zeit wieder.

Der Mangel an sozialen Kontakten und der Verlust der unbeschwerten Musikerzeit ist in der berührenden Momentaufnahme von „Deprivation (what it’s like)“ zu hören. Ein Lockdown-Song, der in kürzester Zeit entstanden ist und seinen ungeschminkten Weg auf die Platte gefunden hat. Denn wenn man Stimme und Gitarre in seinem Wohnzimmer gleichzeitig aufnimmt, dann lässt sich hier nichts mehr Schneiden und im Nachhinein im Perfektionsstreben verändern. Und das ist nicht nur mutig, sondern auch gut so. Denn dadurch entsteht eben genau die magische Stimmung von „Subterranean Echoes“, die Unmittelbarkeit und Intimität, die dieses Album auszeichnet.

In die Grundstimmung des Albums passt sowohl die geglückte Coverversion „Utopia“ von Goldfrapp, also auch Bernhard Eders reduzierte Version von „Waiting“, dem Song seines Berliner Musikerfreundes Dirk Homuth alias Almost Charlie. Und am Ende triumphiert die Hoffnung und das tiefe Vertrauen in das Leben, wenn man es schafft, im Moment zu leben. Denn das Schlussstück „Mild Summer Rain“, dessen loopartige, vielschichtige Sounds einen noch lange im Ohr bleiben, findet in einem einfachen Tagesablauf die kleinen Wunder und das Glück im Alltäglichen, wenn wir achtsam uns durch die Welt bewegen.

Bernhard Eders „Subterranean Echoes“ ist ein zutiefst ehrliches Album, sowohl textlich als auch musikalisch. In seinen persönlichen Geschichten finden sich auch politische Statements, nachdem die Politik mittlerweile unseren eingeschränkten Alltag bestimmt. Im Untergrund brodelt es an Gefühlen, an unerfüllten Bedürfnissen und einer allgemeinen Verunsicherung, in welche Richtung wir als Menschheit uns weiterentwickeln werden. Es ist ein Werk, das zwar die Isolation thematisiert, uns allerdings durch seine Intimität, die Zartheit und Direktheit miteinander zu verbinden und zu trösten weiß.

— Andreas Gstettner-Brugger
__________________________
https://www.facebook.com/bernhard.eder
http://www.bernhardeder.net

https://www.youtube.com/watch?v=ocZNOH82F14