Bill Pritchard (UK - Duoshow)
Ein Blick in die Vergangenheit: Im Jahr 2016 erschien Bill Pritchards letztes Album mit dem Titel Mother Town Hall. Kurz danach adelte der französische Rolling Stone den Briten als den „J. D. Salinger des Pop“, während der deutsche Rolling Stone die Platte zum Album der Woche erkor, um nur zwei von vielen Auszeichnungen zu erwähnen, mit denen das Werk damals überschüttet wurde.
Und dann wäre da noch das mittlerweile legendäre Album Parce que zu nennen, das Pritchard schon im Jahr 1988 zusammen mit dem schmerzlich vermissten Daniel Darc aufgenommen hatte. Es wurde auch nach seiner Neu-Auflage im September 2018 wieder bejubelt, unter anderem von Le Monde, Le Nouvel Obs, Télérama, Les Inrockuptibles und der Libération.
Kommen wir nun zur Gegenwart. Kommen wir zu Midland Lullabies. Ein Album, wie es Pritchard sich schon immer erträumt hatte. Warum? Weil er schon längst einmal den „Crooner im schäbigen Anzug“ geben wollte.
Midland Lullabies, das sind Songs aus den britischen Midlands über europäische Themen, Ohrenschmeichler mit Klavierbegleitung, vorgetragen in einem Stil, der von Pritchard im Lauf von zwei Jahren immer weiter perfektioniert wurde! Als Zuckerguss kriegen wir üppige, gelegentlich an Brecht/Weill erinnernde Streicher zu hören. Wir lernen „Iolanda“ kennen, eine Frau mit tragischem Schicksal. Wir treffen sie in einem Zeitungskiosk in Wednesbury oder auf einem Friedhof am Montmartre, das spielt keine Rolle. Hey, Iolanda, rufen wir ihr zu, lass dir deine Ringel-Pommes schmecken und genieß das Leben! Bei „Forever“ stellt sich die Frage: Sind wir in Shibuya, in Hamburg, in Birmingham oder einfach nur in Pritchards Kopf? Dann „The Last Temptation Of Brussels“. Hat das etwas mit einem Wettstreit zweier symbolistischer Dichter zu tun? Will Pritchard uns eine Episode der französischen Poesiegeschichte nahebringen oder viel mehr seine eigene? Oder ist das Ganze nur Sechzigerjahre-Attitüde? Ob Pritchard auf einem „Scooter Bathed In Pink“ durch die Stadt kurvt oder beobachtet, wie das Leben durch gedankenloses Handeln aus den Fugen gerät, ja, selbst wenn er zuhört, wie „Lucifer Sings On An Out Of Tune Piano“, immer verfolgt er seinen Traum vom perfekten Popsong. In „Thanks“ schießt die Kamera „in black and white, an image of the door to the moon”. Hat Bill womöglich im Pariser Beat Hotel übernachtet? Oder doch im wilden Westen? Ist ja auch egal. Was für ein bezaubernder, schwermütiger, beinahe mystischer Song.
Auch diese Platte wurde von Tim Bradshaw aufs Wunderschönste produziert. Und weil Pritchard von Anfang an auf einen sehr reduzierten Sound bestanden hat, werden die Songs von Tims genial-zurückhaltenden und gefühlvollen Klavier-Interpretationen begleitet. Die beiden kennen sich einfach unglaublich gut!
Alles in allem ein klarer Fall von weniger ist mehr.
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